Bier-Yoga: Eine Idee, die polarisiert

Bier-Yoga

Nackt-Yoga, Goat-Yoga und seit kurzem auch Bier-Yoga: Die Kreativität beim Entwickeln neuer Yoga-Varianten kennt keine Grenzen. Wie Bier mit Yoga zusammen passt, welche Übungen es dabei gibt und was wir davon halten. 

Bier-Yoga: Klingt komisch, ist aber ernst gemeint

Auch wenn es manchmal scheint, als wäre Yoga ein ziemlich neuer Trend: Die Ursprünge des Yoga liegen mehrere tausend Jahre zurück. Wer Sonnengrüße übt, reiht sich in eine lange Tradition von Yogis und Yoginis ein. Was heute in den Studios praktiziert wird, hat mit den traditionellen Lehren des Yoga allerdings oft nur noch wenig gemeinsam.

Im Laufe der Zeit haben viele Menschen ihren eigenen Stil und neue Yoga-Methoden und -Ableger entwickelt. Inzwischen gibt es fast nichts mehr, was es nicht gibt: Ob Nackt-Yoga oder Stunden mit Ziegen oder Welpen – wer etwas Ausgefallenes sucht, wird garantiert fündig. Der relative junge Trend des „Bier-Yogas“ hat uns trotzdem noch einmal überrascht. Wie funktioniert das – und wer kommt auf so eine Idee? 

Wer an Yoga denkt, denkt wahrscheinlich spontan an hyper-flexible Personen, die täglich meditieren, sich vegan ernähren und überhaupt keinen Alkohol trinken. Die Realität sieht natürlich etwas anders aus. Viele Menschen, die Yoga üben, trinken trotzdem gerne mal Bier oder Wein oder tanzen sich am Wochenende durch die Clubs der Stadt. Wieso also nicht beides miteinander verbinden

Burning Man, Bier und zwei Berliner Yoginis 

Bier-Yoga ist ziemlich genau das, was du dir wahrscheinlich darunter vorstellst. Du bringst zwei Flaschen Bier mit zum Yoga und darfst diese während der Stunde auch trinken. Und es ist tatsächlich kein Scherz, sondern eine durchaus ernst gemeinte Aktivität – wenn auch mit einem etwas anderen Anspruch als eine traditionelle Yogastunde. 

Jhula und Emily, zwei ausgebildete Yogalehrerinnen aus Berlin, kam die Idee bei einem Burning Man Festival. Als leidenschaftliche Biertrinkerinnen waren die beiden sofort begeistert. Jhula begann damit, zu Hause beim Yoga mit einer Flasche Bier herumzuspielen. Sie probierte aus, in welche klassischen Asanas sich eine Bierflasche integrieren lässt und entwickelte eigene Namen und Variationen. 

Jhula und Emily dachten sich: Was uns gefällt, gefällt ja vielleicht auch anderen. Der Erfolg, den sie mit ihrer unkonventionellen Idee hatten, hat die beiden allerdings selbst überrascht. Inzwischen bieten immer mehr Yogalehrer*innen Bier-Yoga-Übungen auf Festivals, für private Veranstaltungen und bei Firmenevents an. Längst hat sich der Trend auch über die deutschen Grenzen hinaus herumgesprochen. Vor allem in Australien und den USA erfreut sich die beschwipste Yoga-Variante steigender Beliebtheit. 

In erster Linie soll Bier-Yoga lustig sein und Spaß machen. Das perfekte Ausführen der Asanas ist dabei eher zweitrangig. Als „gemütliche“ Version von Yoga liegt der Schwerpunkt während der Stunde darauf, das eigene Körpergefühl auf spielerische Art zu stärken und gemeinsam in der Gruppe eine gute Zeit zu haben. Alkohol ist dabei kein Muss: Wer mag, kann statt der Bierflaschen auch Wasser oder Apfelschorle mitbringen. 

Anleitung beim Bier-Yoga: Übungen an der Flasche 

Ganz egal, welche Art Flüssigkeit enthalten ist: Neben der Yogamatte gehören zwei Flaschen zur essentiellen Grundausstattung beim Bier-Yoga. Sie dienen als Hilfsmittel bei verschiedenen Asanas und sorgen dafür, dass so manche einfache Übung zu einer echten Herausforderung wird. Glaubst du nicht? Versuch doch mal, wie stabil du im Baum oder Tänzer auf einem Bein stehst, während du aus einer Flasche trinkst. 

Damit jede*r auf seine Kosten kommt, gibt es regelmäßige Trinkpausen – was den Gleichgewichtssinn in der zweiten Hälfte der Stunde zusätzlich beeinträchtigt. Viele der klassischen Asanas heißen im Bier-Yoga etwas anderes: Der Sonnengruß wird zum Biergruß und die Planke zur Bierbank. Manchmal halten die Übenden die Flasche in den Händen, balancieren sie auf dem Kopf oder stellen sie vor sich auf die Yogamatte. Wer zu einer Bier-Yogastunde geht, muss außerdem mit Partnerübungen rechnen – Scheu davor, mit einer fremden Person in direkten Kontakt zu treten, solltest du also nicht haben. 

Die Voraussetzungen, um an einer Bier-Yogastunde teilnehmen zu können, sind ein Mindestalter von 16 Jahren, Spaß an der Gemeinschaft und die Fähigkeit, über sich selbst zu lachen. Wahrscheinlich merkst du schon: Bier-Yoga richtet sich nicht unbedingt an ambitionierte Yogi*nis, die nach den traditionellen Lehren des Yoga üben und leben möchten. Wenn du aber nach einer ungewöhnlichen Aktivität für einen Jungesell*innenabschied oder einen Geburtstag suchst, ist Bier-Yoga vielleicht das Richtige für dich. 

Unsere Meinung zum Bier-Yoga: Lustig oder voll daneben? 

Was Bier-Yoga und ähnliche halb ernst gemeinte Yoga-Varianten betrifft, gehen die Meinungen unter traditionellen Yogi*nis stark auseinander. Und um ehrlich zu sein, sind auch wir etwas gespalten. Schon dass Yoga (zumindest im Westen) in den vergangenen Jahren zu einer reinen Workout-Variante verkommen ist, ist im Kontext der kulturellen Aneignung kritisch zu sehen. Einen tollen Artikel zum Thema findest du zum Beispiel bei “Fuck Lucky Go Happy”. 

Wer Yoga übt, folgt einer jahrtausendealten heiligen Tradition. Der Zweck von Asana ist es nicht, endlich den Spagat zu lernen, einen Sixpack zu bekommen oder einen zu heben, sondern in Kombination mit Praktiken wie Pranayama und Meditation die Einheit mit dem Universum zu erleben. Wenn wir einzelne Elemente herausnehmen und nach Belieben umfunktionieren, lässt das Respekt und Feingefühl für eine Kultur vermissen, die nicht unsere eigene ist. Bei Bier-Yoga und ähnlichen Konzepten wird dieses Problem besonders deutlich. Wird Yoga nicht zu einem reinen Witz, wenn wir die Asanapraxis zu einem Trinkspiel umfunktionieren? 

Selbst wenn wir Yoga nur als sportliche Betätigung betrachten, passt Alkohol einfach nicht dazu: Er entzieht unserem Körper Flüssigkeit und enthält eine ganze Menge Kalorien. Immer mehr Studien weisen darauf hin, dass schon kleine Mengen unserer Gesundheit schaden können. Natürlich können wir selbst entscheiden, ob und wie viel Alkohol wir trinken möchten. Ob das aber ausgerechnet beim Yoga sein muss, würden wir mal infrage stellen. Eine Yogastunde in einer Gruppe rülpsender und leicht angeschickerter Menschen stellen wir uns außerdem insgesamt eher mäßig unterhaltsam vor. 

Was eventuell für Bier-Yoga spricht, ist die Tatsache, dass es vor allem Yoga-Anfänger*innen anspricht. Möglicherweise macht es Yoga so für Menschen interessant, die es ansonsten nie ausprobiert hätten. Und wer weiß – vielleicht findet der oder die ein oder andere ja mit der Zeit Zugang zu den tieferen Ebenen der Yogapraxis. Auch die Tatsache, dass Bier-Yoga ein spielerischer Ansatz ist, der Menschen zusammenbringen möchte, könnte man als Pluspunkt betrachten. Wir bleiben trotzdem lieber bei den Yoga-Varianten, die einen traditionelleren Ansatz verfolgen und die Türen zur ganzen Schönheit und Tiefe des Yoga öffnen. 

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